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Exklusivinterview mit Bayerns Club Nr. 12: “Endlich Anfield”

Ohne Vereinsbrille darf man hierbei Liverpool als Ausnahme bezeichnen – speziell die “Anfield European Nights”. Das denkwürdige Stadion hat schon viele Schlachten entschieden. Was erwartest du dir im Hinspiel von den Rängen?

Ich erwarte grundsätzlich eine gute Stimmung. Und zwar von beiden Seiten. Es wird laut und emotional werden. Also genau das, auf was man in solchen Spielen hofft. Wobei es uns natürlich lieber wäre, wenn man am Ende nur den Gästeblock hören würde und im Heimbereich eisiges Schweigen herrscht (lacht).

Ähnlich wie Liverpool zählt Bayern mit Abstand zum meistgehassten Verein der Republik. Sportliche und wirtschaftliche Erfolge bringt Neid und Missgunst mit sich. Aber ist es ausschließlich darauf zurückzuführen?

Es ist sicher so, dass jahrzehntelanger Erfolg nicht gerade dazu führt, dass man bei neutralen Fans oder Gegnern an Sympathie gewinnt. Dazu kommt das große finanzielle Fundament, dass sich der FC Bayern seit den 80er-Jahren erarbeitet hat. Was man aber insbesondere in der Zeit als Guardiola bei uns Trainer war sehen konnte, war ein leichtes Abklingen der von dir angesprochenen Punkte hin zu einer Art von Respekt. Wurde die stetig gute finanzielle Leistung schon vorher zumindest akzeptiert, so kam nun überragender Fußball und Ruhe im Umfeld dazu. In den letzten Jahren hingegen haben wir als Verein leider auch aus eigenem Verschulden viel davon verspielt.

Dies hängt nicht nur, aber auch mit den Auftritten unserer Führungsspitze zusammen. Sei es die Pressekonferenz, bei der Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Presse massiv angriffen, eine Sportdirektoren- und Trainersuche, die man durchaus als misslungen bezeichnen kann, oder auch das allgemeine Auftreten bei Interviews. Der FC Bayern scheint etwas die Souveränität von früher verloren zu haben. Ließ man vor einiger Zeit Kritik einfach an sich abprallen, so werden nun fraglos dumme Aussagen von TV-Experten groß und breit kommentiert, anstatt sie einfach stehen und somit ins Leere laufen zu lassen.

Football Supporters Europe (FSE) beherbergt Mitglieder aus über 40 Ländern. Hattest du mal Kontakt zu LFC-Gruppierungen?

Ich persönlich hatte da bisher keinen Kontakt, allerdings gibt es meines Wissens nach lose Kontakte beim C12, aber aktuell nicht mehr.

Choreo gegen Napoli/Champions League 2013 – Foto: Club Nr. 12

In England herrscht eine komplett andere Fankultur – frei von Capos, Trommeln und Dauergesang. Gibt es dennoch etwas, was du gerne von der Insel übernehmen würdest?

Das ist jetzt sicher eine Typfrage. Auch wenn ich selbst in der Kurve stehe und mich am Support beteilige, merke ich doch, dass wir vielleicht etwas verlernt haben, auf das Spiel an sich zu reagieren. Wo früher noch von verschiedenen Personen einfach Anfeuerungsrufe oder Gesänge angestimmt wurden (oder wie bei uns früher per Trompete), da schauen heute gerade viele junge Fans nur nach vorne zum Vorsänger und tun, was dieser sagt.

Je nachdem, wer nun dort steht, wird eher spontan oder eben nicht spontan reagiert. Ich würde mir daher prinzipiell ein Mehr an Spontanität und gerne auch mal Pausen im Gesang wünschen. Wie es das Spiel eben zulässt. Aber da mache ich mir nichts vor – die Ultra-Kultur als eine Jugendkultur ist aktuell das, was unsere Kurven dominiert, wird aber sicher irgendwann wie jede Jugendkultur durch etwas Neues ersetzt. So war es und so wird es immer sein.

Der Anhang von Crystal Palace strebt als einziger Premier-League-Klub eine Art Ultra-Bewegung an. Verfolgt man diese Entwicklung als auch das Thema Safe Standing?

Ich persönlich habe Crystal Palace nicht so direkt auf dem Schirm, andere in meinem Umfeld allerdings schon. Was hier jedoch immer wieder interessiert beobachtet wird, ist das Thema „Safe Standing“. Gerade Deutschland mit seinen großen Stehplatzkurven- und Tribünen hat ja inzwischen gezeigt, dass Stehplätze beileibe nicht das große Böse sind und man auch hier absolut sicher die Spiele sehen kann. Was in diesem Zusammenhang ganz interessant ist: Während im Ausland immer wieder Deutschland als positives Beispiel gesehen wird, gibt es hier nicht wenige Innenpolitiker, denen es lieber wäre, man hätte ein Publikum wie jenes im Emirates.

Liverpool ist noch immer ein Sehnsuchtsort für viele.

Beide Vereine haben bis auf ihre Tradition, Vereinsfarben, Didi Hamann, Markus Babbel und Xabi Alonso eigentlich nicht viel gemeinsam. Dennoch sympathisieren viele Bayern Fans mit Liverpool. Woher kommt das?

Ob und wie viele Bayern-Fans mit Liverpool sympathisieren, kann ich dir nicht sagen. Sind wir uns ehrlich: Jürgen Klopp ist hier nicht gerade der beliebteste Trainer, was sicher nicht unbedingt Bonuspunkte bringt. Und trotzdem gibt es da bei vielen eine Art Grundsympathie. Da ist auf der einen Seite die Klubgeschichte mit Erfolgen und Tragödien. Und auf der anderen Seite ist es natürlich die legendäre Anfield Road. Aber unabhängig davon, wie heute die Stimmung in England sein mag, gerade Liverpool ist noch immer ein Sehnsuchtsort für viele. Ein weiterer Punkt: Wir haben einfach schon lange nicht mehr gegen euch gespielt. Wir hatten daher keinen Grund, uns über euch zu ärgern, oder gar einige Spieler zu hassen. Es gab einfach keine Berührungspunkte in den letzten Jahren.

Erklärt das auch den Ticketansturm für das Rückspiel in München? 150.000 Ticketanfragen kurz nach der Auslosung ist selbst für den größten Mitgliederverein eine beachtliche Zahl. Oder liegt es daran, dass beide Klubs in ihrer Historie erst zum achten Mal aufeinandertreffen, zuletzt 2001 im UEFA Super Cup.

150.000 Ticketfragen sind sicherlich sehr viel. Neben den schon erwähnten Punkten spielen da aber sicher noch andere Punkte mit rein. So ist die Anzahl der Ticketanfragen in der CL generell schon immer sehr hoch. Außerdem ist klar, dass diese Tickets sehr begehrt sind. Wenn du aus welchen Gründen auch immer nicht im Stadion bist, hast du begehrtes “Tauschmaterial” in der Hand.  

Liverpool-Fans haben sich beim Massenprotest im Jahr 2016 als Vorreiter in der Premier League herauskristallisiert und die Eigentümer zum Umdenken bewegt. Auch Bayern-Fans protestierten in der Vergangenheit immer wieder gegen überteuerte Ticketpreise. Warum ist man dennoch nach Anderlecht und Athen aufgebrochen? 

Wir haben sicher viele Fans, die zu jedem Spiel fahren – RB Leipzig mal ausgenommen – und auch fast jeden Preis zahlen würden. Für die Kurve stellt sich schon die Frage, ob man durch Fernbleiben protestiert oder im Stadion seinen Unmut zeigt. Wir entscheiden uns da dann oft mehrheitlich für den Weg des Protests im Stadion. Dies zeigte ja durchaus auch Wirkung. Außerdem wollen viele unserer Fans das Team immer unterstützen, auch wenn es finanziell erst einmal übel erscheint. 

„Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ wurde während eines Revierderbys gegründet. Auch ihr unterstützt dieses Projekt. Wie siehst du die Entwicklung der Ticketpreise in der Premier League? Würde angesichts solcher Preise die Südkurve leerbleiben? 

Das ist jetzt natürlich ein Gedankenexperiment. Meine Vermutung wäre eher, dass sich die Zusammensetzung der Kurve ändern würde: Weniger jung, eher gut betucht. Unser Ansatz ist aber, dass sich auch finanziell schwächer aufgestellte Fans Tickets sowohl für Heim- als auch für Auswärtsspiele leisten können sollten.

Die Südkurve hat zuletzt den Bayern-Vorstand wegen dem Katar-Deal scharf kritisiert und ihm Heuchelei vorgeworfen. Nach einem homophoben Banner im Champions-League-Heimspiel gegen Arsenal im Jahr 2014 wurde Bayern mit einer Strafe sanktioniert. Ist das nicht ein Widerspruch? Immerhin gilt die Kurve als offen und liberal.

Die Kurve gilt tatsächlich als offen und liberal. Natürlich haben wir aber wie fast jeder große Verein auch Fans, die andere Einstellungen haben. Zum speziellen Punkt des Banners muss man aber wissen, dass dieses “Gay Gunners” – Plakat in Block 124 gezeigt wurde. Dies ist aber nicht in der Kurve, sondern auf der Gegengerade. Auch unter den aktiven Fans herrschte damals wenig Begeisterung darüber.

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